Zu neuen Ufern! / Von Rudolf Alexander Steinbrecht

Zu neuen Ufern! Die Klassik-Yacht „Roland von Bremen“ will wieder Blauwasser unterm Kiel haben

Roland, alter Freund! Ist Dir nach 40 Jahren die Ostsee doch endlich zu eng geworden? Klar, Dir – für Atlantikregatten gebaut – konnte das nicht ewig taugen. Obwohl, so schlecht war’s doch auch nicht, oder? Von Kiel bis Oslo, von Skagen bis St. Petersburg, von Danzig bis Haparanda, es gibt keine Ecke, wo Du nicht schon warst, kaum einen Hafen, in dem Du nicht schon lagst (stimmt, in Haparanda blieben wir draußen auf Reede, da reichten damals die Handbreit Wasser unterm Kiel nicht), und wer zählt die Ankerbuchten von Fünen bis Finnland, in den westschwedischen und in den ostschwedischen Schären, und gar erst auf den Ålands? Niemand hat die Meilen addiert, die Du hier seit 1972 unter drei Voreignern und seit 2001 mit uns gelaufen bist. Gut über Hunderttausend sind’s mit Sicherheit.

Und ein paar Mal bist Du ja auch ausgebüchst. Ich meine jetzt nicht die Nordseefahrten, Helgoland und die jütländische Küste hinauf, sondern unsere Törns nach Westnorwegen und bis hinauf zu den Lofoten; Deine nördlichste Breite hab ich mit 69°N 28, 6’ am 10. Juli 2006 noch selber ins Logbuch eingetragen. Und unter Peter Krallmanns Eignerschaft warst Du einmal bis Vigo in Spanien; die Strecke von Arcachon bis Scheveningen waren wir auch damals schon zusammen. Was war das für ein Erlebnis, drei Tage und drei Nächte über die Biskaya, endlich offene See, drei Fischkutter einmal, und sonst nur Du und wir; und dann einlaufen in Camaret-sur Mer in der vierten Nacht! Die Gezeitenströme im Canal du Four und vor Cornwalls Küste, die Needles, der Solent und die Isle of Wight – und dann die Straße von Dover im Nebel! Da war Navigation eine Herausforderung.

Jetzt also soll’s wieder auf große Fahrt gehen und im nächsten Winter bist Du nicht im heimischen Rendsburg, sondern auf den Kanaren! Und dann endlich wieder über den Großen Teich? Die Welt ist so groß und viel hast Du schon gesehen, aber längst nicht alles. Ich versteh Dein Fernweh.

Das erste Mal über den Atlantik noch Huckepack auf dem Dampfer ‚Anhalt’, weil noch nicht ganz fertig. Die Atlantikregatta 1936, Bermuda-Cuxhafen, beendetest Du siegreich mit 33 Stunden Vorsprung vor ‚Brema’, der Zweitplatzierten. Ein Sturm, Stärke 11, und die hervorragende Schiffsführung von Dr. Franz Perlia brachten die Entscheidung.1938 dann unter Helmut von Lottner wieder nach USA. Trotz dreier Stürme, die zum Beilegen zwangen, war Deine Zeit von den Scillies bis Nantucket sagenhafte 26Tage. An der amerikanischen Ostküste zunächst noch Regatten, während des Krieges dann U-Bootwache vor der Küste Floridas und gleich 1945 dann eine abenteuerliche Fahrt durch die Karibik, den Panamakanal und die pazifische Küste hinauf nach San Diego. Drei Mann und eine Frau und bei Flaute schob ein kleiner Benzinmotor; der hat öfters schlapp gemacht, die Besatzung nie; Wildschweine habt Ihr gejagt auf den Cocos-Islands.

Zahllose Fahrten und Regatten vor Kaliforniens Küste von San Francisco bis Mexiko, zweimal auch nach Hawaii, aber Dein größtes Abenteuer war wohl Deine Heimkehr nach Europa 1971/72. Fred Schröder und sein Stiefsohn Erwin, deutsche Auswanderer, die es wieder in die Heimat zurückzog, starteten auf Dir am 11. April 1971 von San Francisco. Mit an Bord waren Freds Frau Paula, Erwins Frau Anselma und die Kinder Monika, Marion und Siegfried im Alter von 8, 6 und 5 Jahren. Wieder ging’s durch den Panamakanal in die Karibik, und dort verbrachten die Familien wohl eine schöne Zeit, wenn auch Anselma Schröder aus der Schwäbischen Alb stammend das Segeln im großen Ganzen als zu gefährlich empfand und von dort mit den drei Kindern die Heimreise im Flugzeug fortsetzte. Fred und Erwin machten noch zahlreiche Fahrten in der Karibik, auch mit zahlenden Touristen um die Bordkasse aufzubessern, und setzten dann nur zu dritt – ein Engländer war bis Plymouth mit an Bord – zur Atlantiküberquerung an. Sie erreichten zu zweit Helgoland als ersten deutschen Hafen am 21. August 1972. Niemand konnte uns leider von dieser Reise bisher berichten; Fred und Erwin Schröder sind schon lange tot und von dem Engländer wissen wir nicht einmal den Namen.

Jetzt also geht’s endlich wieder auf große Fahrt! Schon die Reise zu den Kanaren verspricht ein herrlicher Kettentörn zu werden. Nicht die direkte Route wird gesegelt und schon gar nicht starten wir unter Motor durch den Nord-Ostsee-Kanal. Es geht die klassische Richtung hinauf nach Skagen und dann gleich weiter bis Bergen. Von da über die Shetlands und Oaklands zu Schottlands Inseln im Westen, wo es den besten Whiskey geben soll, und weiter nach Irland. Auch wenn es öfters mal regnen wird, an Wind wird’s nicht mangeln. Wie weiland Tristan wirst Du die keltischen Meere befahren, Irland im Westen, Cornwall im Norden und die Bretagne im Süden. Endlich wieder mit Dir in der Bretagne! Die Leuchttürme vom Phare Isle de la Vierge bis zum Phare de la Vielle, die Belle Isle – französischer Wein und französischer Käse. Diesmal wollen wir die schönsten Häfen anlaufen an der französischen, spanischen und portugiesischen Küste! In Lissabon besuchen wir das Denkmal Heinrichs des Seefahrers und das Grabmal von Vasco da Gama und dann geht es wieder hinaus, westwärts nach Madeira, der Insel mit den herrlichsten Blumen, den bizarrsten Küsten und den schönsten Frauen. Von dort bis Teneriffa sind’s dann noch einmal um die 300 Seemeilen, das letzte Glied einer grandiosen Kette.

Und dann? Dann fahren wir den ganzen Winter Törns in diesem wunderbaren Archipel. Teneriffa und Gran Canaria im Zentrum, La Gomera, La Palma und El Hierro im Westen, dann Fuerteventura und Lanzarote im Osten, dazu neun kleine bis winzige, zum Teil unbewohnte Nebeninseln, ein wahrhaft phantastisches Segelrevier: jede Insel ist anders und hat ihren ganz persönlichen Charme und mit dem Boot kommt man da hin, wo der Normaltourist sich nur hinträumen kann. Andererseits bringen einen die Billigflieger schnell und günstig hin und zurück, aber wir leben dann auf dem „Roland“ und nicht im Touristenhotel.

Werden wir dann weiterziehen zu den Azoren, den Kapverden oder gleich hinüber in die Neue Welt? So weit voraus wollen wir noch nicht planen, es ist ja noch so viel Zeit. Aber im Geist segeln wir schon jetzt alle möglichen Routen – Roland und seine Roländer.