MENSCHEN & GESCHICHTEN

MENSCHEN & GESCHICHTEN
22 www.segelnmagazin.de 2/2011 | Text und Fotos: Christian Irrgang  | Download als PDF-Datei hier

Über die Yacht und ihre Segeleigenschaften ist er des Lobes voll. Aber die Qualität des Essens an Bord, die sei unbelievably
poor“, notiert Sherman Hoyt in seinem Tagebuch. Der Amerikaner ist mit an Bord, als der Roland von Bremen im Juli 1936 das Transatlantikrennen von Bermuda nach Cuxhaven gewinnt.

Über die Yacht und ihre Segeleigenschaften ist er des Lobes voll. Aber die Qualität des Essens an Bord, die sei unbelievably
poor“, notiert Sherman Hoyt in seinem Tagebuch. Der Amerikaner ist mit an Bord, als der Roland von Bremen im Juli 1936 das Transatlantikrennen von Bermuda nach Cuxhaven gewinnt.
Um Pokale segelt der Roland schon lange nicht mehr. Aber um höchste Leistung geht es an Bord noch immer, sowohl über als auch unter Deck.

Wer Andreas, dem Skipper, bei der Arbeit in der Kombüse zusieht, bekommt schnell den Eindruck, dass ihn das Verdikt des Amerikaners immer noch mächtig wurmt. So sehr, dass er alles daran setzt, die alte Scharte auszuwetzen. Zum Beispiel mit der Zubereitung einer Wildschweinkeule, selbstgemachten Kartoffelklößen und von Bremen“, der Konstrukteur heißt Henry Gruber. Um das Schiff für die zu erwartenden Raumschotkurse schnell zu machen, zeichnet er ein Unterwasserschiff, das in den Schwerpunktlagen von all seinen bisherigen Entwürfen abweicht. Dennoch ist das Schiff von Insidern sofort zu identifizieren. „Wir lagen mal in Mariehamn“, erzählt Andreas und freut sich heute noch über die Geschichte, „da kam eine italienische Yacht rein. Der Eigner stand an Deck und als er uns sah, brüllte er über den ganzen Hafen: ‚Is this a Gruber?´“

Leider ist die spezielle Konstruktion später häufig von Nachteil. Nämlich immer dann, wenn Regattakurse hoch am Wind gefahren werden müssen. Auch wir lassen heute, bei leichtem Nordwest, die Maschine langsam mitschieben und gleiten so, leise tuckernd, am Kieler Leuchtturm vorbei Richtung Norden. Der Him-Rotkohl mit Äpfeln, Zimt und Mandeln. Tatsächlich stellt sich schnell die Frage, worüber man ausführlicher berichten soll, über das Segeln oder das Kochen? Die Prioritäten sind auf dem Roland nicht immer klar zu erkennen. Fangen wir mit dem Segeln an. „Hat mal jemand einen Föhn für die Achterleine?“ Minutenlang müht sich Ralf schon mit dem Palstek ab. Das Tau ist steif wie Draht. Hartgefroren! Minus acht Grad in Möltenort am Ostufer der Kieler Förde. Es ist der 27. November, morgen ist der erste Advent, und wir wollen übers Wochenende noch einmal raus, nach Dänemark. Wintersegeln. Der Roland ist dafür gut gerüstet. An Bord gibt es ein Zentralheizungssystem und, man höre und staune, im Salon einen offenen Kamin! Irgendwann haben wir alle Knoten gelöst, die steifen Leinen aufgeschossen – man sollte vielleicht eher von aufbrechen sprechen – und laufen hinaus auf die Kieler Förde. Kein anderes Boot außer uns. Wir haben Vollzeug gesetzt, Groß, Genua und Besan. Der Roland ist als Yawl getakelt. 1936 auf der Burmester-Werft in Bremen in nur drei Monaten gebaut, eigens zu dem Zweck, die prestigeträchtige Bermuda-Cuxhaven-Regatta zu gewinnen, die zum Rahmenprogramm der Olympischen Spiele im selben Jahr gehört. Ein bisschen sportlicherGlanz soll auf Nazideutschland fallen. Auftraggeber ist die Segelkameradschaft „Das Wappen „Hat mal jemand einen Föhn für die Achterleine? Das Tau ist steif wie Draht.“ | Den ganzen Artikel als PDF, siehe oben

 

Süddeutsche Zeitung: „Der alte Mann und das Meer“


Bericht vom 15.04.06 in der Süddeutschen Zeitung unter der Rubrik „Mobiles Leben“
Das olympische Jahr 1936 hatte gerade begonnen; nun sollten auch eben jene Sportsbereiche, die – wie der Hochseesegelsport – zunächst nicht in der Prioritätenliste der nationalsozialistischen Sportsfunktionäre ganz oben lagen, gefördert werden.
Die seinerzeit noch junge „Segelkameradschaft Wappen von Bremen“ setzte sich, schließlich erfolgreich, für den Bau einer neuen Ozeanyacht ein – das Schiff sollte bei der Bremer Burmesterwerft entstehen und von dem gerade aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrten Flensburger Konstrukteur Heinrich Gruber entworfen werden. Er hatte in Amerika beim Entwurf der America´s-Cup-Yachten Rainbow und Enterprise mitgewirkt und gilt noch bis heute als einer der erfolgreichsten Yachtkonstrukteure dieser Zeit. Am kommenden Donnerstag nun feiert der Traditions–Segler Roland von Bremen seinen 70. Geburtstag.Das neue Schiff sollte an der internationalen Transatlantik-Regatta Bermuda-Cuxhaven teilnehmen, die Hoffnung lautete Sieg. Viel Zeit allerdings war zum Jahresbeginn 1936 nicht mehr, der Start der Transatlantik-Regatta auf dem Bermudas war auf den 4. Juli festgelegt. 

Vor allem musste erst die stolze Summe von 60 000 Reichsmark beschafft werden, was seinerzeit immerhin annährend 34 durchschnittlichen Jahreslöhnen entsprach. Am 9. Januar 1936 wurden deshalb die Vorstände der 90 angesehensten bremischen Firmen ins Rathaus eingeladen und in einer für die damalige Zeit typischen „zündenden“ Ansprache zu Spenden aufgerufen. Die Leiter der verschiedenen Wirtschaftsgruppen wurden sodann im offenen Aufruf um Zustimmung zu einem bereits vorbereiteten Verteilungsplan der Beiträge gebeten. Diese Parforce-Methode funktionierte perfekt und schon im Februar war Kiellegung, knapp zwei Monate später dann, am 20. April 1936, wurde der Stapellauf gefeiert; festlich geschmückt glitt der Rumpf des 18,28 Meter langen Langkielers ins Wasser. Der Roland von Bremen, als Yawl getakelt, ging schließlich im Mai an Bord des Dampfers Anhalt auf die Reise über den Atlantik.

Die erste Regatta von Newport von Bermuda war eine harte Feuertaufe. Von 50 Yachten erreichten nur wenige unbeschädigt das Ziel, darunter auch der Roland von Bremen. Als dann das Transatlantik-Rennen gestartet wurde, hatten mehrere amerikanische und britische Yachten ihre Meldung zurückgezogen, sodass am 4. Juli 1936 nur sieben deutsche, eine polnische und eine holländische Yacht am Start waren. Gemunkelt wird bis heute, dass das in Wahrheit ein Boykott gegen diese Regatta um den „Ehrenpreis des Führers“ war.

Die Mannschaft unter Skipper Franz Perlia ersegelte sich in einem schweren Sturm mit Windstärke elf den entscheidenden Vorsprung und ging nach 21 Tagen und drei Stunden als erste über die Ziellinie vor Cuxhaven – 33 Stunden vor dem Zweitplatzierten. Es mag ein glücklicher Umstand gewesen sein, dass der Amerikaner Sherman Hoyt mit an Bord des Roland war – ein sehr erfahrener Hochsee-Regattasegler, der den Atlantik bereits sechs Mal überquert hatte. In seine Tagebuchnotizen ist er des Lobes voll für die Yacht und ihre Segeleigenschaften, kritisiert aber herb die Qualität des Essens („unbellevably poor“) und die Besessenheit der Mannschaft, ja nicht vom Großkreiskurs abzuweichen – egal, ob beim aktuellen Wind eine leichte Kursabweichung wesentlich mehr Fahrt gebracht hätte.
Nach diesem glanzvollen Auftakt wird das Schicksal des Roland von Bremen dann allerdings wechselhaft und turbulent. Schon 1938 verkaufte die Segelkameradschaft die Yacht; der neue Eigner war der Berliner Berson, der als Jude in die USA hatte emigrieren müssen. Die Yacht sollte in New York übergeben werden und dann Condor heißen; Hans von Lottner, bei der Antlantik-Regatta 1936 als Navigator an Bord, war der Skipper dieser erneuten Atlantiküberquerung.

In den USA segelte die Condor zunächst Regatten an der Ostküste, wurde im zweiten Weltkrieg von der US Navy als Patrouillenboot in Dienst gestellt, nach 1945 über den Panama-Kanal nach Kalifornien überführt und erhielt dort wieder den alten Namen zurück; zwei Mal segelte das Schiff über den Pazifik nach Hawaii. Der neue Eigner, Howard Keck, war ein reicher Ölmagnat und glaubte, dass die Deutschen das Boot ein wenig zu schnell zusammengeschustert und dabei an Material gespart hätten. So ließ er sie 1947 die Yacht in den Wilmington Boat Works in San Pedro vollständig zerlegen und nach dem alten Riss aus besten neuen Material neu aufbauen; sogar ein offener Kamin wurde unter Deck im Salon installiert. Keck soll für das ganze Unterfangen die stolze Summe von 150 000 Dollar aufgebracht haben.

Nach zahlreichen weiteren Eignerwechseln erwirkt 1971 eine deutsche Auswandererfamilie das Schiff; sie will auf abenteuerliche Weise in ihre Heimat zurückkehren. In San Francisco starteten Erwin und Anselma Schröder mit ihren drei Kindern – fünf, acht und zehn Jahre alt – und den Stiefvater Fred. Der Kurs führte wieder an der Pazifikküste entlang nach Süden bis zum Panama-Kanal, dann in die Karibik. Vor der eigentlichen Antlantiküberquerung aber gehen Anselma und die drei Kinder von Bord; Fred und Erwin Schröder nehmen einen dritten, bis heute unbekannten Mistsegler an Bord und treffen zu den Olympischen Spielen1972 in Kiel ein.

Aber noch immer kam das Schiff nicht zur Ruhe. Der Roland von Bremen diente zunächst als Schulschiff, später dann als Charteryacht – während dieser Zeit, mithin vor 15 Jahren, lernten schließlich die heutigen drei Eigner den Roland als Chartergäste kennen; das Trioverliebte sich in das Schiff und kaufte es 2001. Seither wird Winter für Winter detailgetreu an der Wiederherstellung des Originalzustandes gearbeitet, in jedem Sommer geht das Schiff von seinem Heimathafen Möltenort an der Kieler Förde aus auf lange Törns – in diesem Jahr bis hoch zu den Lofoten.
Und so scheint es, als habe der Roland nach nun 70 turbulenten Jahren endlich seine Ruhe gefunden. Und egal ob die Eigner, der jeweilige Skipper oder ein Crewmitglied – alle „Roländer“ fühlen sich als große Familie verbunden in der Liebe zu diesem einmaligen Schiff.
Rudolf A. Steinbrecht

Zeitschrift Yacht: „Die Wege des Herrn“

Hitler-Deutschland harrt der Olympischen Spiele, die die Schrecken der Diktatur maskieren und vermeintliche arische Überlegenheit demonstrieren sollen. Der Finsterling Deutschland muss strahlen vor der Welt – das ist der Auftrag. Jene Jahre triefen vor führerfreundliches Pathos, alles Erdenkliche gerät zu einer großen Inszenierung nach Gusto des Tyrannen. Am 20. April 1936 läuft, in diesem Klima, bei Burmester in Bremen eine Ozean-Kreuzeryacht vom Stapel. Symbolträchtig an Hitlers 47. Geburtstag.
Das Rahmenprogramm der Spiele umfasst eine internationale Atlantik-Regatta, von Bermudas nach Cuxhaven. „Roland von Bremen“ ist einzigartig gebaut worden, damit Deutschland dabei glänzen möge – erschaffen für den Sieg auf See.
Henry Gruber heißt Burmester Konstrukteur. Der Flensburger hat in den frühen dreißiger Jahren bei William Starling Burgess gearbeitet, dem berühmten amerikanischen America´s-Cup-Designer. Schon im Jahr 1935 saß Dr. Franz Perlia von der Segelkameradschaft „Das Wappen von Bremen“ nächtelang mit Gruber zusammen; die beiden tüftelten aus, wie das ideale Boot für diese Regatta beschaffen sein müsste. „Aufgrund der Erwartung, dass die Atlantik-Regatta größtenteils raumschots gesegelt werden würde“, sagt Gruber später, „wurde das Unterwasserschiff, besonders was Schwerpunktslagen anbetrifft, abweichend von meinen bisherigen Daten konstruiert. Das ist auch im Vorschiff durch das völlige Überwasserschiff ersichtlich“.
Ein Hickhack zwischen den beiden ersten Bremer Segelclubs war dem Bau vorausgegangen. Auch die Finanzierung des Vorhabens ist nicht einfach, es müssen schließlich 60 000 Reichsmark beschafft werden, fast 34 Durchschnitts-Jahreslöhne. In einer fast an Nötigung grenzenden Weise werden die Bremer Kaufleute und Industrierepräsentanten zur Kasse gebeten, sodass am 22. Februar 1936 die Kiellegung und keine zwei Monate später bereits der Stapellauf erfolgen kann. Freilich ist die Yacht noch längst nicht in allen Teilen fertig, als der Dampfer „Anhalt“ sie und die alte „Aschanti“ über den Atlantik nach Boston transportiert. Buchstäblich bis zur letzten Minute arbeitet die Mannschaft an dem Schiff.
Dann die Feuertaufe: die Bermuda-Regatta von Newport nach Hamilton auf den Bermudas. Schon am zweiten Tag geraten die 50 Yachten in schweren Sturm. Nur zwölf kommen ohne ernste Schäden im Ziel an. „Roland von Bremen“ schlägt sich tapfer in der wilden See, die vom Golfstrom besonders steil aufgetürmt wird. „Roland“ kommt als erstes deutsches Schiff und achtes in der Gesamtwertung ins Ziel. Die wenigen US-Yachten jedoch, die für das folgende Atlantik-Rennen ihre Teilnahme zugesagt haben, sind so schwer beschädigt, dass sie die Meldung zurückziehen müssen.
So gehen am 4. Juli 1936 nur neun Yachten an den Start des großen Rennens, darunter sieben deutsche. In den ersten Tagen liegen die Boote noch dicht beisammen. Doch dann kommt schwerer Sturm auf. Am 15. Juli berichtet das Schiffstagebuch des Skippers Dr. Franz Perlia: „Glas sack, dass bald der Boden herausfällt… Um 5 Uhr werden die Böen am stärksten… Glas sackt weiter auf 744, hat um 10 Uhr den tiefsten Stand erreicht und beginnt schnell zu steigen. Nun wird´s dicke werden… 12.30 Uhr wird Besan geborgen, um 16 Uhr auch der Sturmklüver… Windstärke 10,11 oder mehr, nicht zu schätzen. Um 18.30 steht eine gewaltige See. Wie die Wellen heranrollen, erkennt man, dass die vordersten Gipfel noch nicht der höchste Teil dieser Berge sind. Nach Luv kaum Ausguck durch die mit Gewalt in die schmerzenden Augen schlagende Gischt. Auch von Lee werden Wassermassen emporgeschleudert,“ Aber: „Das Schiff hebt sich wie eine Ente, nur die brechenden
Kämme stürzen über Deck. Segeln mit 7-9 Strich quer zur See mit 6-6.5 kn. Unglaublich… Keinen Augenblick Sorge um Verbände und Aufbauten.“
In den Sturmtagen hat „Roland von Bremen“ einen Vorsprung von 250 bzw. 300 Seemeilen auf die beiden nächsten Boote („Brema“ und „Aschanti“) errungen. Als am 21.Juli das Feuer von Bishop´s Rock in Sicht kommt, liegt „Brema“ als zweite Yacht 340 Seemeilen zurück. Am 25.Juli 1936 um 20 Uhr übersegelt „Roland“ nach 21 Tagen und drei Stunden das Ziel beim Feuerschiff Elbe. 33 Stunden vor „Brema“ , der Zweiten.
Das Folgejahr verläuft für „Roland von Bremen“ recht unglücklich. In keiner der Regatten von 1937 kann die Yacht einen vorderen Platz belegen, geschweige denn einen Sieg erringen. Zum ersten Mal zeigen sich die Nachteile von Henry Grubers Konzept, eine Yacht speziell für raume Winde zu entwerfen, den wie jeder weiß, kommt der Wind leider oft auch vorlich. Am-Wind-Kurse aber sind nicht „Rolands“ Stärke besonders bei rauher See. Darum wird das Schiff schon 1938 von der Segelkameradschaft wieder verkauft, ein neues Boot soll den Namen übernehmen und das künftige Flaggschiff des Clubs sein.
Käufer ist der ehemalige Berliner Berson, der als Jude in die USA emigrieren musste. Die Übergabe soll in New York erfolgen, weshalb „Roland von Bremen“ unter Hans von Lottner – er nahm als Navigator bereits an der ersten Atlantik-Überquerung teil – nun erneut über den Großen Teich segelt, diesmal von Ost nach West. Auch so kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ist die Besatzung noch internatonal, diesmal segelt der Engländer Kenneth Pattison mit. Von Lottner beschreibt 1938 diese Überquerung (in 26 Tagen von den Scillies bis Nantucket) sehr lebendig in der YACHT, Heft27. Er schließt seinen Bericht wie folgt: „Wir werden niemals wieder, glauben wir alle an Bord, ein so fantastisches Schiff bekommen…es sieht
genauso aus wie beim Verlassen Bremens …Besatzung über alles Lob erhaben.Wenn jeder Ozeansegler nur eine halb so gute Besatzung hat, dann kann er sich freuen.“
Jeder, mit „Roland“ segelte, besonders bei schweren Wetter, weiß, warum er ausnahmsweise keine sie ist: der „Roland“ ist ein starker verlässlicher Kerl.
Und heißt ab jetzt „Condor“. Er bekommt einen Klüverbaum, um mehr Vorsegelfläche tragen zu können. Erzählungen zufolge dient er im Krieg der Coast Guard als Patrouillienboot.1945 wird die Yacht von Paul Liskey aus Miami erworben und nach Florida verlegt, aber er kann sich das Schiff nicht lange leisten. Der Bauunternehmer William Trepte San Diego/Kalifornien – er hat schon einmal Burmesteryacht besessen – will das Schiff für die erste Nachkriegs-Hawaii-Regatter erwerben. Man kommt überein, dass Paul Liskey selbst „Condor“ an die Westküste überführt, eine lange Reise über Key West, Havanna, Grand Cayman, den Panamakanal und entlang der mexikanischen Küste des Pazifiks nach San Diego. Die Yacht ist jetzt bereits mit einer Maschine ausgerüstet, ein Gray-Benzinmotor, der allerdings häufig Probleme macht.
Acapulco und Manzanillo werden angelaufen, damals noch verträumte Küstenstädtchen, in denen sich kaum ein Gringo blicken lässt. Sogar die Beschaffung von Benzin bereitet gelegentlich Schwierigkeiten. Nach zweieinhalb Monaten erreichen die fünf Segler um Liskey am 29.Mai 1946 San Diego.
„Condor“ erhält als erstes den alten Namen „Roland von Bremen“ zurück.Dann wird das ursprüngliche Rigg widerhergestellt.Trotzdem verlaufen die ersten Regatten wenig zufrieden stellend – zu große Am-Wind-Anteile, „Rolands“ einzige Schwäche vermasselt gute Platzierungen.William Trepte sucht sich ein anderes Schiff für das große Hawaii- Rennen.
Der nächste Eigner, Howard Keck, ist ein Ölmagnat und glaubt, dass die Deutschen das Boot ein wenig zu schnell zusammengeschustert und dabei wohl auch am Material gespart hätten. So lässt er 1947 die Yacht in den Wilmington Boat Works im kalifornischen San Pedro vollständig zerlegen und nach dem alten Riss aus bestem Material neu aufbauen. „Roland von Bremen“ erhält unter anderem ein höheres Deckhaus sowie einen offenen Kamin im Salon. Keck soll für das ganze Unterfangen 150 000 Dollar aufgewendet haben. Enorm viel Geld.
Nach diesen Jahren voller Wechsel und Neuerungen folgt nun eine ruhige Zeit. „Roland“ liegt in Newport Beach an der Pier, ein Festangestellter Slipper lebt auf ihm, gesegelt wird aber höchst selten. 1960 erwirbt Herald E. Williams vom San Diego Yacht Club das Schiff. Er hegt Reggata-Ambitionen, denn wieder steht ein Hawaii- Race bevor.
Williams rechnet mit Starkwind, er will die Segelfläche verringern und dadurch eine günstigere Vermessung erreichen. Der Besanmast wird entfernt, und schlimmer – auch die oberen 15 Fuß des Großmasters werden gekappt. So geht „Roland“ im August 1961 als untertakelte Slup ins Rennen: Bei seinem ersten Rennen auf dem Pazifik bleiben die erwarteten Starkwinde jedoch aus, und Williams muss seine Frevel bereuen. Immerhin erreicht „Roland von Bremen“ Honolulu als drittes Boot seiner Klasse und sechstes Boot der gesamten Flotte von 40 Yachten. Mit dem alten Rigg hätte er gesiegt.
Ein Jahr danach ist Herald Williams bankrott. Die Yacht geht über in die Hände von William Greer aus Los Angeles. Er fährt „Roland“ in einigen Regatten in Kalifornien, darunter das Los Angeles Acapulco Race 1968, in dem er als Erster durchs Ziel geht, aber berechnet auf den sechsten Platz zurückfällt. Greer verlegt sich anschließend aufs Fahrtensegeln, lässt den Besanmast wieder riggen, der Großmaster aber bleibt kurz. Der alte Gray-Benzinmotor wird gegen einen General-Motors-2-Takt-Diesel ausgetauscht. Die Maschine hält bis 1994.
Greer entfernt auch das Schott, das bis dahin die Kombüse vollkommen vom Salon, abgetrennt hatte. Dadurch entsteht mehr Raum im Salon, und noch heute kann die Crew erwartungsvoll und durch wundersame Düfte angeregt die Handlungen des Smuts verfolgen. Als Williams Greers Söhne ins College kommen und nur mehr kurze Törns vor Santa Monica möglich sind, beschließt der Eigner, für „Roland von Bremen“ Einen neuen Besitzer zu suchen. Greer kann sich an die Namen der Käufer nicht erinnern: „Ich glaube, weil ich mich nicht erinnern will an den Moment, in dem ich so einen wunderbaren Abschnitt meines Lebens beenden musste.“
Es handelt sich um die Brüder Fred und Erwin Schröder, die nicht mehr Spuren hinterlassen als eine Eintragung im Goldenen Buch von Helgoland. Sie waren 1953 in die USA ausgewandert, haben sich etwas erspart und wollen nun auf „Roland“ in die Heimat zurück. Am 11.April 1971 stechen sie in San Francisco in See, und am 21. August 1972 legen sie in Helgoland als erstem deutschen Hafen an. Eine Zeitung berichtet, dass sie die Welt umsegelt hätten, 310 Tage auf See gewesen seien und 45 Häfen in 15 Ländern angelaufen hätten. Seemannsgarn.
„Roland von Bremen“ steht anschließend lange in Kiel zum Verkauf, bis ihn 1974 die Segelschule Allendorf als Tourenschiff erwirbt. Klaus und Erika Allendorf(heute 78 und 70 Jahre alt) berichten: „Das Schiff war in recht heruntergekommenem Zustand, und wir mussten erst einmal eine große Menge Müll abtransportieren, neue Polster nähen und auch am Boot sehr viel reparieren.“ Überdies legen die Behörden die Yacht an die Kette, weil kein Einfuhrzoll bezahlt worden ist. Es dauert eine ganze Weile, bis endlich geklärt ist dass das Boot als Umzugsgut nicht zollpflichtig war. Der Schwede Sven Wärme, Segellehrer bei Allendorf, übernimmt das Boot bereits ein Jahr später und segelt mit seiner Frau Jutta manchen Törn in die Ostsee, was der YACHT damals schon eine große Geschichte wert war.
1979 kauft Peter Krallmann aus Gelsenkirchen den „Roland“ und ist somit sein zwölfter eigner. Mitten im Winter bei Sturm und Schneegestöber überführt er die Yacht nach Holland ins Ijsselmeer, wo sie bis 1986 in Lemmer liegt und regelmäßig auf Charterfahrt geht. Dann wird „Roland“ nach Kiel zurückverlegt, wegen der vielfältigeren Tourenmöglichkeiten in der Ostsee.
Dort lernte eine Charter-Truppe das Schiff kennen. Und beginnt, sich in „Roland“ zu verlieben. Praktisch jedes Jahr trifft sie sich zu einem Törn auf Ost- oder Nordsee, die längste Reise geht 1998 bis Vigo in Spanien mit vier verschiedenen Mannschaften. Die Chartercrew besegelt England, Schweden, Norwegen, Finnland, Litauen, Polen und ungezählte Male Dänemark. Es ist zunächst nicht mehr als ein gewagter Gedanke: Wie es wohl wäre, den mittlerweile so ans Herz gewachsenen „Roland“ selbst zu besitzen. Im Scherz wird sogar eine Entführung erwogen; „Schiffsverlust vortäuschen und einfach in die Karibik abhauen, mit neuem Namen und anderem Anstrich.“
Die verliebten Jungs – ein Schiffsbauingenieur, ein Anwalt und ein Zoologieprofessor – erhalten 2001 die Chance, „Roland“ legal zu erwerben. Sie legten ihre Ersparnisse zusammen. Es ist knapp, aber es reicht.
Jeden Sommer ist der „Roland“, Heimathafen Möltenort, seither für Monate in Fahrt. Wechselnde Crews fordern ihn auf ausgiebigen Skandinavien-Törns, im nächsten Jahr steht die Rundung Englands auf der Agenda – glanzvolle Reisen allesamt. So gesehen, hat sich für „Roland von Bremen“ in den vergangenen 68 Jahren gar nichts geändert.

Zeitschrift „Boote“: Jeder darf mitmachen

An Bord der berühmten deutschen Hochseejacht sind Gäste willkommnen. Volker Helmreich erlebte einen Ostseetörn auf den Planken des Oldtimers, der bereits ein Stück Segelgeschichte repräsentiert.
Abends schrillte das Telefon. Die Frau des Skippers war dran und erzählte mir etwas über „Undichtigkeiten“ am Schiff. Dass es deshalb irgendwo erst ins Dock und nicht zum verabredeten Termin auf die Reise gehen könne.

Ich rechnete fieberhaft. Vierzehn Tage hatte ich gebucht, minus zwei Docktage waren es nur noch zwölf Tage auf See. Eigentlich war es zum kurz, um unser gestecktes Ziel, 700 Seemeilen zu segeln, zu erreichen. Insgeheim schwor ich, nächstes Mal gleich drei Wochen zu buchen. Dann hat man wenigstens für „Kultur unterwegs“ mehr Zeit. Und: die „Roland von Bremen“ ist schon für sich allein so faszinierend, dass vierzehn Segeltage einfach zu wenig sind.
Die „Roland“ ist ein berühmtes Schiff, dessen Eleganz und Schnelligkeit man sieht und spürt. Die Yacht wurde 1936 bei Burmester in Bremen für die Atlantikregatta im selben Jahr gebaut. In 21 Tagen, 8 Stunden, 34 Minuten und 40 Sekunden legte sie schneller als erwartet die 3600 Seemeilen (also fast 6700 Kilometer) von Bermuda nach Cuxhaven zurück und siegte.

An Bord der berühmten deutschen Hochseejacht sind Gäste willkommnen. Volker Helmreich erlebte einen Ostseetörn auf den Planken des Oldtimers, der bereits ein Stück Segelgeschichte repräsentiert.

Abends schrillte das Telefon. Die Frau des Skippers war dran und erzählte mir etwas über „Undichtigkeiten“ am Schiff. Dass es deshalb irgendwo erst ins Dock und nicht zum verabredeten Termin auf die Reise gehen könne.

Ich rechnete fieberhaft. Vierzehn Tage hatte ich gebucht, minus zwei Docktage waren es nur noch zwölf Tage auf See. Eigentlich war es zum kurz, um unser gestecktes Ziel, 700 Seemeilen zu segeln, zu erreichen. Insgeheim schwor ich, nächstes Mal gleich drei Wochen zu buchen. Dann hat man wenigstens für „Kultur unterwegs“ mehr Zeit. Und: die „Roland von Bremen“ ist schon für sich allein so faszinierend, dass vierzehn Segeltage einfach zu wenig sind.
Die „Roland“ ist ein berühmtes Schiff, dessen Eleganz und Schnelligkeit man sieht und spürt. Die Yacht wurde 1936 bei Burmester in Bremen für die Atlantikregatta im selben Jahr gebaut. In 21 Tagen, 8 Stunden, 34 Minuten und 40 Sekunden legte sie schneller als erwartet die 3600 Seemeilen (also fast 6700 Kilometer) von Bermuda nach Cuxhaven zurück und siegte.
„Wir werden doch am Montag auslaufen, denn das Dock ist belegt“, sagte Sven Wärme, schwedischer Kapitän und Eigner der 18-Meter- Yawl, als wir am Startort eintrafen. Das hörten wir gerne, obwohl sich jeder schon geistig an der schwergängigen Bilgepumpe arbeiten sah. Doch natürlich gehörte die elektrische Pumpe ebenso wie die Bordheizung zu dem gut ausgerüsteten Schiff.

Am Montag war die Mannschaft dann komplett:
Ein Düsseldorfer Pärchen, eine Hamburger Deern, ein langer Kieler, wir zwei Mannheimer , die sich erst an Bord kennen- lernten (wie sich das so für Großstadtbewohner gehört ), und Zwei Eidgenossen, die sich zünftig mit „Grüzi“ bekannt machten und auf der Reise dafür sorgten, dass kein Auge trocken blieb. Leinen los in Travemünde zu einem kleinen Schlag, unter der Fehmarnbrücke hindurch nach Heiligenhafen. Ein kurzer gemütlicher Tag, bei dem wir alles an Bord kennen lernten.
Sven erklärte auf Schwedisch-Deutsch, und wir hörten brav zu, auch die Wiederkommer vom letzten Jahr. Mit sechs Windstärken sollte es unter rauschenden 9 Knoten Fahrt ein anregender Lerntag werden.
Beim Abendessen bei Käpt`n Plambeck in Heiligenhafen lernte man sich dann näher kennen. Die beiden Eidgenossen nahmen mit immer neuen Späßen uns und sich selbst auf den Arm. Dass da, wo der Urs herkommt, die Sprache kein Dialekt ist, sondern eine Halskrankheit (sprich Chals-Chankheit), das kannten wir schon. Aber als Hans am nächsten Morgen beim Frühstück auf die Frage, ob er noch Kaffee haben wolle, antwortete: „ja bitte, aber nur ein Zweitel“ das war uns neu.
Von Heiligenhafen ging es auf nach Dänemark, vorbei an Lolland und der Insel Falster. Böen und Regen, ja sogar Hagel und einige Schneeflocken holten uns in diesen letzten Junitagen immer wieder ein. Aber wenn man nur einmal im Jahr 14 Tage auf der Ostsee schippert, dann lässt man sich durch so etwas nicht die Laune verderben!
Hauptsache, keine Flaute, und mit dem richtigen Wind waren wir zum Glück gesegnet.
Meist raumschots mit über 220 qm Tuch erreichten wir nach zwei Hafenübernachtungen in Stubbeköbing und Köge dann noch am Mittwoch Kopenhagen.
Gleich nach dem Festmachen ging es auf zur Sauna und ins Schwimmbad, wo wir den an Bord zwangsläufig etwas verdrängten Sauberkeitsbedürfnissen freien Lauf ließen. In Bezug auf die Sauberkeit der sanitären Anlagen, die man im Vergleich zu südlichen Gefilden nur sehr loben kann, stellten wir fest, je kleiner der Hafen, um so sauberer die sanitären Anlagen. Das kann durchaus auch ein Aspekt der Fremdenverkehrswerbung sein.
In Kopenhagen lernten wir schon auf dem Weg in die Sauna etwas vom Flair und der Jugendlichkeit dieser Stadt kennen. Imponierend: die Ströget, eine der längsten Fußgängerzonen Europas. Neben pompösen Geschäften mit königlichem Porzellan gibt es hier Freiluftkneipen, neben erlesenen Parfümerieartikeln, Pornoshops, Möbelhäuser, Boutiquen, Globetrotterbänke, Fischbuden, Blumen. Über den Rathausplatz mit seiner berühmten Weltuhr von Jens Olsen (besichtigen lohnt sich), die erst nach tausend Jahren etwas nachgehen soll, kommt man zu dem billigen oder teuren Amüsiervergnügen, dem Tivoli. Wem Schießbuden, Spielhallen, Mäusezirkus und kitschig angestrahlte Seerosen nicht zusagen, der kann hier zumindest gut und reichlich essen. Im Promenadenrestaurant gibt es eine empfehlenswerte Hausplatte (Heringe, warme Fischfilets, Krabben, Leberpastete, Gurkensalat, Lendensteak mit Zwiebeln, Käse, Brot, Butter, Schweineschmalz – köstlich!).
Auf dem Weg zurück zur „Roland“ kamen wir auch am malerischen Nyhavn mit seinen Kneipen und Tätovierstuben vorbei. Man wünscht sich diesen oder jenen hier am Kai liegenden alten Gaffelsegler mit Dreimeterpinne auch einmal in einem deutschen Hafen zu sehen. Wir sind uns einig, für Kopenhagen sollte man sich etwas mehr Zeit nehmen.
Weiter ging es mit dem Wind im Rücken durch den nur 2,7 sm breiten Oresund, der Schweden von Dänemark trennt. Diese Nacht lagen wir im dänischen Hafen Helsingör. Beim Auslaufen sieht man Hamlets Schloss. Schloss Kronberg wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut, um den Sund zu bewachen. Denn noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mussten alle passierenden Schiffe Sundzoll bezahlen. Aber mehr als die Kultur interessierte uns das Segeln. Also ging es weiter zu unserem nördlichsten Ziel, Göteborg. Wir erreichten die Stadt an einem Sonntagabend, nach einer weiteren Hafenübernachtung im schwedischen Falkenberg. Und je weiter wir uns von Deutschland entfernten und je weiter nördlich wir segelten, umso wärmer wurde es!
Herrliche Inselwelt vor Göteborg, ein Traum für kleine Segelboote, Jollen und Motorboote, die trotz geringer Wassertiefen immer noch jede Insel, jedes Inselchen entdecken können. Winzige Leuchttürme zeigen den Schiffchen den Weg durch dieses Insel- und Felsgewirr.
Wir machten im Royal Göteborg Yachtclub bei Langedrap fest. Zum Landgang reichte die Zeit nicht, nur, um fürs Frühstück, wie jeden Morgen, frische Brötchen zu holen.
Wir segelten bald wieder los, denn die Halbzeit des Törns war schon vorbei, so dass wir uns mit der Rückreise beeilen mussten. Unser nächstes Ziel war Kalundborg, etwa 180 sm südlich. Wieder segelten wir durch diese Inselwelt, diesmal erschien sie uns im Morgenlicht. Dann hindurch zwischen den Inseln Laesö und Anholt und hinein nach Kalundborg.
Nach 42 Stunden hatten wir die Distanz geschafft, und das Wetter auf diesem Stück war charakteristisch für die ganze Reise. Zwei bis sieben Windstärken, einreffen, ausreffen, bewölkt, Regen, Gewitter, Böen, Hagel – und trotzdem immer wieder Sonne. Aber erstaunlicherweise waren an Bord, selbst beim miesesten Wetter, alle bester Laune, solange genügend Tee mit Rum (oder umgekehrt) da war. . .
Kiel Radio versprach für den nächsten Tag vier Wind- stärken aus SW, die Starkwindwarnung von DDR Radio betraf uns noch nicht. Von Kalundborg im Nordwesten von Seeland ging es weiter nach Kerteminde und anschließend nach Svendborg, beides auf Fünen.
„Svendborg“, sagt Sven, „liegt in einer der schönsten Gegenden Dänemarks“, und den Eindruck bekommt man langsam, wenn man zwischen Langeland und Fünen auf die Stadt zusegelt. Satte grüne Wiesen, auf einer Anhöhe eine kleine Kapelle und Villen mit eigenen kleinen Ha fenanlagen und Stegen, je näher man nach Svendborg kommt.
Die ganze Bucht strahlt südländische Schönheit und Ruhe aus.
Hier müsste man ein Haus und eine schöne Yacht am eigenen Steg, direkt an der Uferwiese besitzen!
In Svendborg sollte man unbedingt einen gemütlichen und lukullischen Abend im Hotel Aero verbringen – Eine ähnliche Ansammlung von nautischem Krimskrams wie im Kapitänszimmer mit dieser urtümlichen Atmosphäre wird man so schnell in keinem Restaurant mehr finden. Und anschließend auf ein Bier ein paar Ecken weiter zu John Bull.
Aus dem letzten dänischen Hafen liefen wir am Freitag in westlicher Richtung vorbei an Faaborg, um die Huk der Insel Aero herum, wieder in Richtung Heiligenhafen. Und dieser letzte Tag war auch einer der schönsten dieser Reise. Am Rande einer Gewitterfront laufend, die wie wir südöstlich zog und zeitweilig Regen brachte, machten wir schnelle Fahrt. Unter Vollzeug bei diesem mit Böen versetzten Wind, lief die „Roland“ raumschots beständige neun Knoten. Dann wurde das Besanstagsegel gesetzt: zehn Knoten Fahrt. Und „Roland“ wurde immer schneller. Noch ein Schrick in die Segel, und die Yacht kam auf dem Rücken einer Welle ins Surfen. Das war ein herrliches Gefühl, und von nun an achtete der Steuermann weniger auf seinen Kurs als darauf, die „richtige Welle“ zu bekommen. Die Sonne war durchgebrochen und beleuchtete die See graugrün als Kontrast zu den brechenden weißen Kämmen und der Über- kommenden Gischt.
Es war ein gelungener Abschluss dieses Törns.
Unser Ziel, 700 Seemeilen zu segeln, hatten wir dennoch nicht ganz erreicht. Aber auch mit 627 Meilen waren wir zufrieden, in einem schönen Revier, zu interessanten Städten, mit einem schnellen Schiff.

Zeitschrift „Yacht“: Artikel über Atlantiküberquerung

Der Führer des ROLAND, von Lottner, schickte seinen Freunden in Bremen den nachstehenden Bericht über die Atlantiküberquerung. Wir haben es für richtig gehalten, diesen Bericht trotz seiner ganz persönlichen Note, ohne jede Veränderung oder Bearbeitung zu veröffentlichen, weil wir glauben, dass jede Veränderung den Gesamteindruck abschwächen würde.

Bristol (Rhode Island).
Es war wunderbar. Einfach nicht zu beschreiben.

Die Zeit immerhin 26 Tage von Scillys bis Nantucket. Ist aber nach meiner oder besser gesagt nach Auffassung der Yankees nicht schlecht. Wir haben das Schiff ausprobiert in allen Lagen. Die Nähte sind nicht zu sehen. Und seid überzeugt, wir haben ihn gesegelt, dass uns selbst manchmal die Haare zu Berge gestanden haben.

Also am 21. April abends zu Lesum gabt Ihr Kameraden vom „Wappen von Bremen“ uns einen sehr herzlichen Abschied.
Bis Vegesack ging es mit Burmesters Barkasse, dann mit dem Schlepper weiter nach Bremerhaven. An Bord als Gäste auf der Schlepperfahrt, um uns das letzte Geleit zu geben: Dr. Lutowski, des Skippers Frau und Schwiegereltern sowie die Braut des Navigators. Ferner ein Zollbeamter und ein Angestellter der DEBEG.
Als Besatzung an Bord: Hanns L. von Lottner (Skipper), Age Nissen, Willy Kisow, Paul Temme, Fritz Reuß, Karl Leysieffer, Kenneth Pattisson, Karl Hammann.
Gegen 11 Uhr hatten wir beim Zollwachtschiff ausklariert, die letzten Hände gedrückt mit unseren Lieben in der Heimat ausgetauscht. Der Schlepper taute uns noch auf die andere Fahrwasserseite und schmiss dann los. Wegen schlechter Tide und gegenan stehender Winde wurde bis zum Tidenwechsel geankert.
6,25 Uhr Anker auf am 22. April. – Es ist doch noch lausig kalt.
Laufen mit guter Fahrt Weser aufwärts. Mit nur wenigen Kreuzschlägen können wir rauskommen. Auf Schillig Reede liegen unsere Schulkreuzer, aber ein Besuch wird abgelehnt, in Anbetracht des Verlustes von mindestens 3 bis 4 Stunden. Bereits abends konnten wir Borkum dwars peilen. Gute Fahrt. Am 23. morgens gegen 7 Uhr hatten wir Terschelling Bank Feuerschiff quer. Stimmung an Bord hervorragend, alles ist gespannt und voller Erwartung wie es wohl werden wird. Man beriecht sich noch ein bisschen. Aber gar bald herrscht der gemütliche Bordton. Alles leidet zwar etwas unter der Kälte und der kurzen See. Aber das macht nichts. Geht bald vorüber. Ab Haaks Feuerschiff können wir sogar unser beliebtes Besan Stagsegel fahren. Kalt, klare Sicht.
Sonntag, 23. April. – Es wird flau und unsichtig. Kommen nicht vorwärts und bei Dover bekommen wir den Strom gegenan und können uns knapp auf der Stelle halten. Dampfer „Nordenham“ kommt längsseits, begrüßt uns mit der Dampfpfeife und wünscht uns gute Reise. Es sind Kameraden des Skippers auf der Brücke. War sehr nett. Der Montag sieht uns den ganzen Tag über in der Flaute Segel exerzieren. Aber wir kommen nicht weiter. Gegen Abend setzt sich Wind durch. Aber es ist sehr unsichtig.
Nachts wird fleißig mit dem Peiler gepeilt. Kommt auch gerade als der Entschluss gefasst wurde umzudrehen, 20 Meilen voraus durch.
Nun wird es auch etwas klarer und mit neun Meilen Fahrt geht es in den Solent hinein. Age k1agt über heftige Schmerzen. Wird wohl hoffentlich nichts Ernstliches sein. …
Um 04O5 Uhr fällt der Anker auf Cowes Reede. In Cowes werden Besorgungen gemacht. Pattissons und Frau geben uns jede gewünschte Hilfe. Mittags alle Mann hoch von Pattissons Eltern zum Essen eingeladen, war sehr nett. Nachmittags wird Wasser genommen. Die Stagen nochmals durchgesetzt und der letzte Seeklarbefehl durchgegeben.
Abends zu einer wundernetten Cocktailparty bei Colin Ratsey eingeladen. Ratsey telefoniert sofort einen Arzt für Age und den Kapitän dessen Magen immer noch nicht so ganz auf der Höhe ist. Der Befund ist zufrieden stellend. Age hat Hexenschuß,in höchster Potenz durch das nasskalte Wetter und der Magen ist nervös überreizt durch all die Aufregungen. Beiden werden Medizinen mitgegeben. Für uns alle eine Beruhigung. Um 9,30 Uhr abends alles an Bord, Ruhe im Schiff.
Mittwoch, der 27. Heute geht es also los. Das Schiff wird seeklar gemeldet. Schnell fährt der Schiffer mit dem Koch Nr. 1 nochmals an Land und besorgt letzte Post und den letzten Frischproviant. Um 9 Uhr kommt C. Ratsey an Bord und bringt die verschiedenen Medizinen. Jede Bezahlung wird von ihm abgelehnt. Noch ein Glas schönes deutsches Bier wird mitihm getrunken und dann wurde der Anker gelichtet. Der Island Sailing Club setzte Signal und wünschte uns glückhafte Fahrt. C. Ratsey taute uns solange bis wir Segel gesetzt hatten. Seine reizende Frau hatte das Haus beflaggt und alles winkte uns Abschied zu. Wir waren auf großer Fahrt.
Der Wind war östlich, ab er schwach, machten vier bis fünf Meilen Fahrt. Überholten eine Yacht, welche mit Motor fuhr, ohne angeschlagene Segel und eine kleine Barkasse vorgespannt hatte. Entpuppte sich als „Tai Mo Shan“ mit dem Commander Bronton an Bord. Es wurde längsseits geschoren. Bier übergeben, shake hands. – Die letzte Berührung mit Menschen. Nun waren wir allein. … Der Wind legte zu und wir liefen mit guter Fahrt an den Needles vorbei Richtung Scillys. Schiff bereits in hervorragendem Trimm. Deck und Bilge völlig trocken. So ging es weiter, bereits am nächsten Tag Bishop Rock quer. Heute gab es Captain’s dinner zur Begrüßung des Nordatlantik.
Speisefolge: Side-car Cocktail, Tomatensuppe legiert mit Reiseinlage, panierte Kalbskeule, Frische junge Schoten und Karotten, Petersilienkartoffeln, Frischer Blattsalat auf Leysieffer Art, Pudding a la Westindien, Mocca double en tasse d’or, Cointreau triple sec. Es war fabelhaft. Überhaupt die Frage der Küche. Ich habe auf jeder Wache einen Koch. Dadurch setzte eine Konkurrenz ein. Allerdings ist Fritz Reuß nicht zu schlagen im Kuchenbacken und im Kochen. Bubi Leysieffer ist dafür der Tortenbäckerspezialist gewesen. Bei jedem, auch dem ganz schweren Wetter, das wir abreiten mussten, gab es wunderbar schmeckendes warmes Essen mit mindestens zwei bis drei Gängen. Hammann hatte die Herrschaft unter Deck und es war immer klar, sauber und trocken. Er litt die ersten 8 Tage zwar unter Seekrankheit, machte aber seinen Dienst hervorragend.
Das Wetter war die nächsten Tage so schön, dass wir anfingen zu arbeiten. Das Schiff sah aus, als wenn es am Steg bei der Werft liegt. Das Beiboot wurde mit Ziehklingen vollkommen abgezogen und die Wheeling neu benäht und all die kleinen Verschönerungsarbeiten gemacht.
So ging es die ersten Tage mit prima “ Fahrt immer westwärts auf Großkreiskurs. Hier muss noch einiges von Cowes erzählt werden.
Bei Ratsey bekam der Skipper von Jeanette Ratsey ein Mascottchen überreicht: einen Gummiaffen. Prima Tier. Sie meinte, vielleicht müssten wir es einige Male ausdrücken. Sie glaubte, er würde noch genug Wasser zu schlucken bekommen. Von der Firma Hans Mette, Bremen, hatten wir eine Kiste Sekt an Bord bekommen mit sechs Flaschen und es wurde beschlossen, sie für die sechs Sonntage der Überfahrt aufzubewahren, wir haben jeden Sonntag unseren Sekt geschlürft.
Aber nun zurück zur Fahrt!
So hielt das Wetter nun an bis zum Sonnabend, da frischte es plötzlich erheblich auf, der Wetterbericht meldete unzählige Tiefs und wir waren gespannt, wie es kommen würde. Gar bald mussten Trysegel setzen und hatten den Salat da, aber es kam aus dem südöstlichen Quadranten. Das konnten wir brauchen.
Am Sonntag, dem 1. Mai, sollte Betriebsappell mit Umzug an Deck sein. Teufelsgeige war gebaut worden, Kuchen gebacken. Aber das ging nun nicht mehr. Es briste mit neun Windstärken und mehr. Wir liefen backstags mit rauschender Fahrt. Es war enorm. Wir ließen ihn laufen was er konnte. Aber als er einmal in einer See dwars schlug und eine Wand von 4 bis 5 Meter über uns hereinbrach, ohne uns aber allzu viel Wasser an Deck zu senden, da der gute „Roland“ selbst mit 70 Grad Schlagseite im Brecher noch aufschwamm, wurde das Beidrehen erwogen. Aber erst wollte der Skipper nochmals versuchen, wie er nun mit der ganz dicken Kokosleine achteraus nachgeschleppt liegen würde. Das war nun tadellos, er war ganz leicht zu steuern und lief nicht mehr dwars. Dann bargen wir das Trysegel und liefen nun nur vor der alten Fock. Fahrt etwa 6 Seemeilen. Besser als beidrehen sagten wir und gingen unter Deck um Doppelkopf zu spielen und unseren Kuchen zu essen.
Das Log wurde gefahren, bis es eines Tages zu drehen aufhörte und als wir den Fall untersuchten, war der Propeller verschwunden. Man dachte an Fische, Haie oder dergleichen. Aber Log hatten wir keines mehr. Schnell wurden an der Reeling 24 Meridiantertien abgemessen und fleißig Reelingslog geübt. Ging ganz schön. Außerdem hatte sich alles schon so mit dem schönen Schiff vertraut gemacht, dass man sagen konnte, wie viel es lief.
Um den Bericht nicht zu lange auszudehnen, sei er nun in großen Zügen weitergegeben. Gar bald ging dann der Wind auf 6 zurück und wir konnten weitersegeln in gewohnter Weise.
Dampfer „Kleopatra“ bekam Auftrag uns zu melden. Dampfer „Friedenau“ passierte uns, Dampfer „Ilona Siemers“, Hamburg, begrüßte uns. Weiter ging es im gewöhnlichen Bordbetrieb. Gutes tadelloses Essen, viel Spaß Doppelkopf usw. Regelmäßig bekamen wir alle acht Tage einen kleinen Sturm. Zweimal musste das Schiff beigedreht werden. Das erste Mal kamen Bedenken, wie er wohl liegen würde. Noch nie der Roland beigelegen.
Der erste schwere Sturm der uns dazu zwang war enorm. Wir drehten notgedrungen bei und das kam so.
Wind so etwa 9 und wir segelten noch mit Fock und Trysegel. Auf einmal setzten derartig stark. Regenböen ein, dass man kaum Luft bekam, geschweige denn sich frei bewegen konnte. Das Schiff schob mit dem ganzen Luvvorschiff in die See. Trysegel bergen, Ruder hart nach Luv kam das Kommando. Beide Segel, Trysegel und Fock wurden los geschmissen. Alles erwartete, dass das Schiff, das ja vorne nichts unter Wasser hat, rumschwingen würde. Aber nichts dergleichen geschah.
Er lag wunderbar 6-7 Strich zur See, schwamm auf und ab wie eine Ente. Das Deck war trocken. Die folgenden Regenböen waren das tollste, was ich in meiner nun immerhin 14jährigen See-Erfahrung in allen Meeren erlebt hatte. Im Nu war eine etwa neun Meter hohe See heruntergebügelt auf eine starke Dünung. Man konnte an Deck nicht stehen und musste sich krampfhaft festhalten. Aber das Schiff lag ruhig, hatte allerdings vor Top und Takel etwa 25-30 Grad Schlagseite bekommen. Nach einer Viertelstunde war der Spuk vorbei und es briste wieder normal mit 7 bis 8. Wieder wurde mit Trysegel und Fock gesegelt und gegenan gegangen, aber schon nach ein paar Stunden mußten wir nochmals beidrehen.
Nun kommt eine Zeit, die uns mächtig ärgert.
Wir haben innerhalb von 11 Tagen nur etwa 400sm geschafft. Das verbittert. Aber unverdrossen wurde weiter gute Laune geschippert und alles getan, um ihn vorwärts zu bringen. Dabei wurde fleißig gearbeitet.
Die Wassertanks ausgebaut, Bilgen gesäubert usw. Es war schön. Noch einmal briste es junge Hunde. Der Barometer fiel, es war klar und wir liefen erst gute Fahrt. Auf einmal war der ganze Himmel ultraviolett-rosarot mit großen Streifen nach dem Norden zu. Polarlicht. Es war unheimlich.
Am anderen Morgen hatten wir die Bescherung. Wir erfanden nun etwas Neues.
Als wir klarmachten zum Beidrehen, um die Leute, die sowieso nur noch wenig trockenes Zeug hatten, zu schonen. Das Trysegel kam runter und nun lief das Schiff mal aus dem Ruder. Und siehe da, nur mit der Fock ging er etwa 6 bis 7 Strich an den Wind und fing an gegen die See zu kreuzen. Wir wollten es nicht glauben. Kenneth meinte, so was gebe es nicht und deswegen könnte es auch nicht wahr sein. Aber er tat es. Zwei bis drei Meilen Fahrt. Besser als beigedreht. Aber bei der herrschenden Windstärke und der enorm zunehmenden See mussten wir uns nach drei Stunden entschließen, doch beizudrehen. Während dieser kurzen Beidrehpause wurde die Maskott feierlich auf den Namen Janette getauft. Age als Hebamme verkleidet, Fritz als Pastor und ich als Onkel aus Amerika.
Wir lachten Tränen.
Noch mancher Dampfer wurde gesichtet. Erwähnen möchte im den englischen Dampfer „Camito“, der Kurs änderte und uns nachlief, mit Sirenengeheul begrüßte und three cheers ausbrachte. War nett.
Wir liefen gerade mit doppelt gerefftem Großsegel, Fock und kleinem Klüver, etwa 9-10 Meilen. Das ganze Leedeck zeitweise bis zu den Aufbauten im Wasser. Ich denke, das muss ein Anblick sein, der für ein Seglerherz unbezahlbar ist. Wir wollen dem Kapitän schreiben, ob er nicht einige Aufnahmen hat.
Immer war nun noch kein Vorwärtskommen. Wir näherten uns wieder der Neufundlandbank. Der Eisbericht für dieses Jahr war ungünstig, viel Eis, sehr weit südlich. Es wurde fleißig Wassertemperatur gemessen und Lufttemperatur festgestellt.
Als einmal die Temperatur innerhalb einer Stunde um einige Grade sank
und dichter Nebel kam, wurde sofort über Stag gegangen und nach Süden abgelaufen. Sofort lahmen die Wassertemperaturen wieder zu. Nur der Skipper maulte ob des damned Golfstromes. Er wollte lieber im Labradorstrom bleiben. Als es besser wurde, gingen wir auch wieder über Stag.
Eines Tages wurde es uns zu dumm. Age wurde ins Kartenhaus beordert, aber er schlief so schön, hatte ja Freiwache, dass er streikte. So begann Fritz das schwere Werk es wurde eine Flaschenpost an Neptun, den Beherrscher aller Meere und Pfützen usw. gegeben und um Wind aus günstigen Richtungen gebeten. Die Post kam in eine leere Ginbuddel.
Beim Überbordwerfen fiel sie zuerst gegen den Großbaum, dann dem Schiffer an den Kopf, um endlich in Neptuns Element zu landen.
Wie durch ein Wunder hatten wir einige Stunden danach herrliches Wetter und fair winds.
Bevor ich nun zu dem anstrengendsten oder besser gesagt aufregendsten Moment der Reise komme, noch Einiges, was wir sahen.
Viele Schildkröten, Riesenwale (Einzelgänger) sahen aus wie auftauchende U-Boote. Ganze Horden Pottwale, viel viel Schweinsfische, und ein hölzernes Wrack in der Größe der Gloucesterschoner. Gab manches Erzählen drüber an Bord.
Nun kommen wir zum Ende der Reise.
Es war wieder der wöchentliche Sturm fällig, aber à Konto der Flaschenpost wehte er nur mit 8 und von dwars ein. Nur es kam dicker, dicker Nebel. Noch ging’s, wir hatten kein astronomisches Besteck seit 48 Stunden, nach der Koppelortung mussten wir am Rande der Georgsbank stehen. Hätten wir nicht die Echolotung vornehmen können, hätten wir alle Augenblicke beidrehen müssen, um zu loten. Denn eine Reihenlotung bei 8 Meilen Fahrt, Seegang und etwa 70 bis 80 Meter Tiefen vorzunehmen, ist mit Handlot ohne Beidrehen ausgeschlossen. Und auch mit Walkerlot kaum durchführbar. Man hätte also des ungewissen Bestecks halber nach Süd ablaufen müssen. So liefen wir getrost weiter, ließen alle Viertelstunde unser Lot (an Bord genannt „Bomben“) fallen und bekamen dann im Verein mit den Funkpeilungen ein ganz genaues Besteck. Wir standen nördlicher und liefen mit diesem Kurs genau auf die Nantucket Shoals.
Ruhig im Vertrauen auf diese navigatorischen Hilfsmittel ließen wir ihn bis auf etwa 2 bis 3 Meilen an die Bänke heranlaufen und gingen über Stag.
Und nun geht das Drama los.
Hoch am Wind (Stärke 7), Nebel so dick, dass wir mit unserem großen Scheinwerfer die oberste Saling nicht mehr sehen konnten. Wasser in Luv und Lee über Deck. Ein Mann Steuerbord-Ausguck, ein Mann Backbord vorne. Ein Mann am Ruder und ich im Kartenhaus-Niedergang. Alles nass. Nebel, Nebel. Alle halbe Stunde Radiopeilung von Nantucket und Pollock-Feuerschiff. Und nun Nebelsignal eines Dampfers. Wir antworteten mit unserem bescheidenen Nebelsignal. Aber ich glaube er wird es nie und nimmer gehört haben. Es besteht überdies eine Vorschrift, nach der Segelschiffe über 20 Tonnen mit automatischem Preßluftnebelsignal ausgerüstet sein müssen.
Na ja, unsere Puste war in diesem Fall ebenfalls Pressluft. Der Dampfer passierte nach der Lautstärke seiner Dampfpfeife und nach dem Geräusch seiner Maschine innerhalb 200 m und nicht war nicht auszumachen.
Es war enorm. Leuchtpistole, alles war klar. Fieberhaft wurde gelauscht und ausgeguckt. Man sah schließlich hunderttausend Lichter. Der Mond wurde mit Nebelsignal begrüßt. Komischerweise war es über uns klar und es blitzte so toll, wie wir es noch nicht gesehen hatten. Ich ging unter Deck und bin beim Horchen auf Unterwasserschallsignale mit der Stoppuhr in der Hand eingeschlafen. Hatte die letzten drei Tage nur durchschnittlich drei Stunden geschlafen. Um 2 Uhr morgens versprach ich der Wache, die den Nebel vertreibt und die uns auf Kurs bringt, die letzte Flasche Schum bei Nantucket. Um 3 Uhr wurde es ganz flau, setzte Regen ein und der Nebel verschwand. Es wurde aber noch nicht ausgerefft und kein Klüver gesetzt, da es zu flau war. Um 4,20 Uhr morgens alles Plünnen bei.
Um 11.45 Uhr am Mittwoch, dem 25. Mai, war unser Wunsch erfüllt. Nantucket – Lightship im Abstand von 10 Meter passiert. Nun ging’s bei flauen Winden hinein nach der Naraganset-Bai.
Aber der Wind schlief ein und die Tide gegenan. Wir mussten uns entschließen, was zu unternehmen, bis 4 Meilen vor Herreshoff hatten wir uns gemogelt. Da war es aus. Im letzten Moment kam dann ein Benzinboot, das uns nun bis zur Brücke schleppen wollte. Doch ein Wink mit dem Zaunpfahl (Whiskybuddel) machte ihn so weich, dass er uns bei Herreshoff gar nicht lossmmeißcn wollte, sondern uns bis an den Liegeplatz brachte und uns vertäute.
Jack, der uns wohlbekannte Vorarbeiter begrüßte uns mit viel Händedrücken. Commodore Rockwell, allen Lobes erhaben, stand stundenlang in strömendem Regen an der Pier und wartete, bis wir vom Arzt und vom Zoll abgefertigt waren. Wir wurden photographiert. Sahen aus, wie Sträflinge.
Dann, als nachmittags alle Formalitäten geklärt waren, ging’s in zwei Autos zu Rockwell. Rein in die Badewanne. stundenlang haben wir gebadet, anschließend schwimmen im Bassin. Und dann Cocktail, Abendbrot, alle erdenkliche Hilfe. Haffenreffer kam dann auch noch. Es war wieder sehr sehr herzlich. Wir waren aber so müde, dass wir nach einem Nightcap an Bord unter uns um 10 Uhr zur Koje gingen.
Am anderen Tag ausklarieren in Providence mit dem Zoll usw. Mannschaft arbeitet bereits am Schiff. Newport Post abholen. Herbert L. Stone kam mit dem Auto und begrüßte uns und brachte uns Christian Nissen mit. „Latifa“ hat von Cowes nach Bermuda 31 Tage gebraucht. Blieb vier Tage in Bermuda und ist nun in City Island. Brachte Sherman Hoyt mit von Bermuda.
Wir arbeiten nun fleißig am Schiff. Werden in etwa sechs Tagen fertig sein. Dann gehen wir in das New Bedford Whalers Race. Anschließend wollen wir nach Larchmont und dann nach Newport.
Nun noch einiges über Schiff und Besatzung. Wir werden niemals wieder, glauben wir alle an Bord, ein so phantastisches Schiff bekommen. Es sieht genau so aus wie beim Verlassen Bremens.
An Schäden: Großsegel riss im Achterliek und riss ganz aus. Wurde in achtstündiger Arbeit neu eingespleißt, geliekt und wieder gesetzt. Sonst alles in Ordnung. Besatzung über jedes, Lob erhaben. Wenn jeder Ozeansegler nur eine halb so gute Besatzung hat, dann kann er sich freuen. Alles vollwertige Seeleute und Segler.
Zum Beispiel reffen (Reff innerhalb 10 Minuten 12 Sekunden), alles geht nach der Stoppuhr.
PS: ROLAND VON BREMEN hat inzwischen im New Bedford Whalers Race den dritten Preis gewonnen und ist im schweren Rennen Newport-Bermuda als einzige deutsche Yacht gestartet.
Über das Ergebnis des Rennens werden wir berichten, sobald Nachrichten eingegangen sind.